Rot-weiße Fahnen wehen heute an den Südtiroler Fahnenmasten. Hmm… Herz-Jesu ist erst nächste Woche. Es kann doch nicht sein, dass die Traminer zum Tag der Republik die Tiroler Fahne hissen? Ich schwinge mich aufs Rad und fahre hinunter ins Dorf. Ab der Mitte der Hans-Feur-Straße ist Schluss. Straße gesperrt. Vor der Kirche warten Musikanten. Ach, Fronleichnamssonntag und somit Tag der folkloristischen Prozessionen in Südtirols Dörfern.
Ich will mich schon zum Warten abschicken, da schießt es mir durch den Kopf: die Traminer Fronleichnamsprozession kennst du eh schon. Wie wäre es mit einer Prozession in einem anderen Dorf?
Gedacht, getan! Über den Choleraweg, den Brentalweg und schließlich entlang des großen Grabens trete ich flugs hinunter nach Margreid.
Die Weindörfer Tramin, Kurtatsch, Margreid und Kurtinig verbindet ein besonderes Flair. Radelt man vom nördlichen Tramin ins südliche Kurtinig wächst mit jedem Pedaltritt der mediterrane Zauber. So kommt ganz besonders jetzt im Mohnblumenfrühling für Genussbiker ein Bella-Italia-Feeling sondergleichen auf!
Eigentlich bin ich vor allem Wanderer. Aber weil der Meniskus zurzeit etwas gehen das Gehen hat, bleibt mir nichts anderes übrig als mich auf den Drahtesel zu schwingen. Eine reine Sport-Radtour kommt nicht in Frage, ich packe – gleich wie beim Wandern – sämtliche Kameras ein und starte von zu Hause aus.
Ein leichtes (Gravel-)Bike wäre für mein heutiges Vorhaben ideal, als Wanderer fehlt das in meiner Ausstattung. Doch als begeisterter Landschaft-Fotograf besitze ich ein E-Mountainbike. Klar wie sollte ich sonst in kürzester Zeit über Stock und Stein flitzen?
So sitze ich nun auf meinem E-Bike und nehme mir den orographisch rechten Süden Südtirols vor. Und weil ich ein wenig ein schlechtes Gewissen habe, nehme ich mir vor, auf den E-Motor zu verzichten. Ein wenig Muskelaktivität muss sein. Für einen erprobter Wanderer ist Pedale treten sicherlich kein Problem.
Eingeladen vom Tourismusverein Südtiroler Unterland, dürfen wie heute einen GenussTag am Weinlehrpfad Kurtatsch – Margreid erleben. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Doch leider kann man die beste Ehefrau von allen mit Wein jagen. Es hilft nichts, die Zweitbesetzung muss einspringen. Auf meinen Kollegen Andreas ist diesbezüglich Verlass, ihn muss man für Weinveranstaltungen nicht betteln.
So treffen wir uns um 15.00 Uhr vor der Kellerei Kurtatsch ein. Othmar Sanin, unser heutige Weinwanderführer, bittet uns in den Verkostungsraum der Kellerei hinein.
Kellerei Kurtatsch
Eine Mitarbeiterin der Weinkellerei klärt uns über die Kellerei, die Arbeit der Weinbauern und vor allem übers Terroir auf. Sie erklärt uns, dass die Weinlagen der Kellerei Kurtatsch in Südtirol eine Besonderheit darstellen, da sie von der tiefen Talsohle bis hoch hinauf unter die steilen Felswände des Mendelgebirges reichen und somit Europa weit gesehen, den größten Höhenunterschied innerhalb einer Gemeinde abbilden. Dadurch wird es ermöglich, dass in Kurtatsch jede Weinsorte ihr ideales Umfeld was Boden und Klima betrifft, findet. Während den Ausführungen dürfen wir die Weine der Terroir-Linie Hofstatt (Weißburgunder), Kofl (Sauvignon) und Kirchbichl (Cabernet-Rivera) verkosten. Man stellt uns keinen Spucknapf vor die Nase, auch schenkt man uns das Glas normal ein. Super, denn so fühlen wir uns bestärkt, den Wein nicht nur optisch zu beurteilen, zu riechen, zu schlürfen und durchzukauen, um ihn dann ausspucken zu müssen, sondern ihn genussvoll zu trinken. So mag ich Verkostungen am liebsten. Klasse!
Spätherbst, da zieht es den geneigten Wanderer gerne an die bunte Weinstraße. So auch uns. Und weil die beste Ehefrau von allen viel Sonne tanken möchte, muss es natürlich ganz in den Süden der Südtiroler Weinstraße gehen. Margreid ist unser Startplatz. Das jetzt im Spätherbst etwas schattige Dörfchen, macht mit dem Fenner Bach, der sich aus zwei finsteren Felswänden hervordrängt, einen archaischen Eindruck. Ich finde die ursprünglichen Häuser entlang der Josef-Alberti-Straße und die Pfarrgasse (unser Startpunkt) malerisch und würde gerne – aber da war doch was – ach ja Sonne tanken! Also schnell raus aus dem Schatten, die Josef-Alberti-Straße hinunter und dann rauf in die Franz-von-Frenner Straße, welche direkt in den Leitenweg übergeht.
Leitenweg von Magreid nach Entiklar
Die steile Feldstraße führt, wie der Name bezeugt, hinauf in die steilen Weinberge (=Leitn) Margreids. Die beste Ehefrau von allen schwebt im doppelten Glück. Sonne und Erinnerungen an Kindheitstagen. In den Margreider Leitn und zwar in der obersten, war sie als Kind schon oft. Die gehörte ihrem Vater und so ist sie nicht nur einmal hier gewesen, um bei der „Pergelarbeit“ zu helfen.
Die älteste datierte Rebe Südtirols (1601), nein sogar Europas, wächst in Margreid in der Grafengasse an der Hausmauer des Augustin Hauses. An der sogenannte Urrebe wachsen immer noch Trauben. Sie ist das Highlight von Margreid und als Naturdenkmal ausgewiesen.
Heute feiert man dort der ASV Altherrn Margreid das „Herbstfest bei der alten Rebe„.
Wir wollen den Festbesuch mit einem Spaziergang kombinieren; zuerst Spaziergang, dann Fest.
Am nördlichen Dorfrand stellen wir das Auto ab und spazieren dann am Festbetrieb bei der Urrebe vorbei und biegen anschließend in die Franz-von-Fenner Straße ein. Der Weg steigt zuerst recht deftig an, dann wandelt er sich zum gemütlichen Spazierweg durch die Weinberge.
Entiklar, die kleine Fraktion von Kurtatsch, am Ende des Weinlehrpfades Kurtatsch, ist der Startpunkt unserer heutigen Wanderung. Wanderung ist vielleicht nicht das richtige Wort, Spaziergang wäre aufgrund der Länge (6,2 km) angemessener, wenn da nicht die recht arge Steigung wäre. Obwohl saisonal gesehen Winter, kann man die Wanderung aufgrund der sonnigen Lage und der milden Temperaturen als Frühlingswanderung bezeichnen. Aber Schluss des Rätselratens bzgl. Kategorisierung, wir wollen wandern und die herrliche Sonne im Süden Südtirols genießen, nicht grübeln.
Einen Parkplatz (300 m ü.d.M.) finden wir knapp oberhalb des Schlosses Turmhof, auch bekannt als Weinkellerei Tiefenbrunner. Die beste Ehefrau von allen holt die Jacke vom Hintersitz. Ein Jauchzen! 100 Euro zwischen Armlehne und Sessel. So eine Überraschung! Da sind sie wieder die seit 10 Tagen vermissten Euronen.
Der Wanderweg führt uns entlang der nur von Penonern (Bewohner der Fraktion Penon) befahrenen Nebenstraße, dem Kofelweg, über den „Kofel“, auch Köfel genannt, hinauf nach Penon.
Wandern oder Arbeiten? Diese kniffelige Frage, die schon des Öfteren in ein Drama ausgeartet ist, stellt sich im obersten Stock des Mandlhofs an jedem Wochenende, welches bzgl. Wetterprognose nicht gerade gesegnet ist.
Heute ist es wieder mal soweit. Zum Weiterwegfahren ist der Wetterbericht zu unsicher, das Bergwetter soll eher schlecht sein. Außerdem haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der Wettergott immer den Unterlandlern, vor allem den Traminern, am gnädigsten ist!
Ok, dann wollen wir mal nicht weit fahren und uns eher auf den Süden einstellen. Von Entiklar zum Fennberger See hinauf soll uns die heutige Wanderung führen.
Der kleine Weiler Entiklar gehört zur Gemeinde Margreid Kurtatsch an der Weinstraße. Bekannt ist er vor allem durch die Kellerei, die Jausenstation und den Schlossgarten der Familie Tiefenbrunner mit seinen Sagengestalten, den biblischen Szenen und fantastischen Kreaturen.