Im malerischen Dorf Tramin lässt es sich normalerweise hervorragend gemütlich spazieren. Heute klappt das mit dem „Gemütlich“ nicht so richtig. Ich wollte eine ruhige Runde durchs Weindorf drehen – was in den Weinbergen oberhalb von Tramin, noch geklappt hat.
Doch jetzt, am Rathausplatz, kommt mein verdienter Dienstagvormittagsspaziergang ins Stocken. Über den Hauptplatz ist fast kein Durchkommen. Traktoren mit Anhänger versperren den Weg. Und allerlei Gesinde scheint sich heute hier rumzutreiben. Zigeuner, alte Weiber, schwarze Männer – weiß der Teufel was da los ist. Ärgerlich – ich wollte doch nur in Ruhe einen Kaffee zu mir nehmen.
Ein älterer Herr, versucht seinen Wagen zwischen einer Herde urtümlicher, fürchterlich klappernder Schnappviecher hindurch zu manövrieren. Er dreht die Scheibe runter, flucht die Ungetüme lautstark an. Die sind für solch eine Anmache aber wenig empfänglich.
Was ist das? Hmm… scheint eine fahrbare Gefängniszelle zu sein. „Zenzi“ steht drauf. Sonderlich! Das Wetter wäre formidabel, aber etwas stark riechende, schlecht gekleideten herumlungernde Weibsbilder und komische schwarze Männer, mit den zugegebenermaßen recht lustigen Luftballons, verderben etwas das Bild.
Kopfschüttelnd spaziere ich entlang pastellfarbener Häuserzeilen durch die Hans-Feur-Straße zum Festplatz hinaus.
Auch hier stehen kreuz und quer Traktoren und Wägen im Weg. Ich frage mich was mit der Traminer Polizei los ist. Pause, oder was?
Ahhhrrrgg…. mein Gott was ist das? Grün, groß, wild! Ein Hulk? Auf jeden Fall ein ganz wilder Mann! Ein Jäger hält ihn an einem Strick zurück. Oha, ob der das schafft? Ich bleibe lieber auf Distanz.
Eigentlich wollte ich jetzt nach Hause spazieren, doch es kommen immer mehr Leute und vor allem lustigere Menschen. Die haben Brot und Wein mit. Lachen, trinken, scherzen, essen – sie teilen auch bereitwillig. Nach Hause spazieren wird gestrichen.
Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Mann im Korb, Frau mit Zumm, Herren in Schwarz und da vorne eine Kutsche! Vielleicht ein Hochzeit?
Man klärt mich auf: der Egetmann Hansl heiratet und das lustige Volk hier, das sind die geladenen Gäste. Etwas verwunderlich finde ich es schon, wie ein Einzelner so viele recht eigentümliche Bekannte haben kann.
Mir fällt auf, dass viele der geladenen Gäste einem Berufsstand angehören. Pfannenflicker die keine Pfannen flicken, nur Lärm mit Töpfen produzieren, Schuster die keine Schuhe herstellen, aber dafür Zuschauern ihre Schuhe mir Gewalt abziehen um ihnen eine wenig amüsante Fußmassage zu verpassen, Waschweiber, die nichts waschen, nur die Gegend bewässern. Aber es gibt auch solche wie Fassbinder, die echte Fässer bauen, Drescher die richtig gut dreschen, Schnapsbrenner die brennen und Weinkoster, welche formidable kosten.
Letztere nehmen mich in Beschlag, drücken mir ein volles Rotweinglas in die Hand. Da sagt der Spaziergänger natürlich nicht nein.
Hmm… das weibliche Geschlecht hier auf dem Weinverkostungswagen – aber auch alle anderen der illustren Hochzeitsgesellschaft – tragen recht männliche Züge. Nicht unbedingt mein Geschmack. Ein Glas, eine zweites usw. – ich muss mich wohl geirrt haben. Die Mädels hier schauen alle recht super sexy aus!
Hoho, hoho… die Sonne lacht vom Himmel… kreischend, quietschend, brüllend drängt sich der Tross der lustigen Hochzeitsgesellschaft durch Tramins enge Gassen.
Unter dem höchsten gemauerten Kirchturm Tirols kommt der eine und andere Hochzeitswagen ins Stocken. Ziehen und Schieben ist angesagt bevor es hinauf auf den Rathausplatz geht.
Die geladenen Gäste scheinen hier so richtig zu explodieren. Mir ist unverständlich, warum die alle plötzlich so am Rad drehen? Waschweiber, die den Dorfbrunnen missbrauchen, sich eine regelrechte Wasserschlacht liefern, alte Weiber, die schreiend vor weiß gekleideten Müllern mit quietschendem Schubkarren flüchten, dann doch eingefangen werden und unter lautem Gejohle mit einer Seilwinde auf eine Art Mühle hochgehievt werden. Ein sonderbares Gebaren. Mir bleibt da nur noch Kopfschütteln.
Und das, was ist das? Alt – zwischen neunzig und scheintot – aber flink wie ein Wiesel, kraxeln wie ein Affe. Boa! Die „Zenzi“ hangelt sich an Tramins schönsten Fassaden, von Fenster zu Fenster. Die jungen Müllersburschen – obwohl zahlreich – sind bemüht, aber hinterher kommen sie nur mit Mühe.
Irgendwann fordert dann doch die schiere zahlenmäßige Überlegenheit ihren Tribut. Unterm Traminer Kirchturm, wird die Zenzi per Seilwinde auf die Altweibermühle hochgehievt. Es braucht ein Duzend starker Burschenhände, denn die Zenzi, zwar klein und schmächtig in Statur, aber stark und groß im Widerstand, wehrt sich wie ein wilder Stier, bevor sie unter dem Jubel der Müllersleute hinunter in die Mühle geworfen wird.
Alle Fotos vom Egetmann Umzug 2019