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Wanderkarte

Eisseespitze, Gipfelkreuz, Il Gran Zebu, Königsspitze

Bergtour auf die Eisseespitze

Der letzte heiße Tag vor einem prognostizierten Kälteeinbruch hat uns heute in aller Herrgottsfrüh ins Suldental herauf verschlagen. Wir wollen auf die Eisseespitze hinauf um den mächtigsten Südtirolern, dem Dreigestirn Königsspitze, Zebru und König Ortler unsere Ehrerbietung zu erweisen. Auf die drei genannten Berggipfel selbst, trauen wir uns nicht hinauf, wir haben uns darum den leichten Dreitausender Eisseespitze ausgesucht. Entgegen seinem Namen ist er wenig spitz, trägt auch keinen See und man kann ihn sogar über den recht neuen halleschen Stecknerweg Eis frei erklimmen. Er bietet somit für uns die ideale Möglichkeit sich den drei Großen „ungefährlich“ so weit wie möglich zu näheren.

Blick auf das Dreigestirn Königsspitze, Zebrù und Ortler

Stilfserjoch

Am späten Nachmittag soll ein Gewitter aufziehen. Das habe ich eingeplant. Mit was ich nicht gerechnet habe, dass es jetzt in der Früh auch regnet. Im Regen mit der Gipfeltour starten haben wir keine Lust. Und weil ich noch nie auf dem Stilfser Joch oben war, biegen wir nach Stilfs nicht links ins Suldental ab, sondern fahren geradeaus weiter ins Trafoital. So dürfen wir die bei Motorrad- und Radfahrern so beliebten 48 Kurven der beeindruckenden Stilfserjochstraße meistern. Als Wanderer ist für uns das Fahren kein Freizeitgenuss, sondern ein notwendiges Übel. Trotzdem hat Italiens höchster und Europas zweithöchster (asphaltierter) Alpenpass seinen Reiz. Jetzt in der Früh – wir sind fast allein auf der Straße – können wir im Schneckentempo hochfahren und König Ortler bestaunen.

Auch die 48 Kehren begeistern, sie führen durch steiles, mit Gras bewachsenes liebliches Gelände. Ein starker Kontrast zum gegenüberliegenden, heute mit Nebel verhangen, fast Viertausender Ortler, der archaisch und wild seine Herrschaft in Südtirols Bergwelt demonstriert.

Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Ich bin gespannt, wie es oben am Pass ausschauen wird. Der Andreas sagt nicht viel. Er war schon mal oben.

Am Pass verstehe ich, warum der Andreas so still war. So grandios die unbesiedelte Auffahrt, so ernüchternd der Pass selbst. Marode Gebäude haben zwar auch ihren fotografischen Reiz – man denke an Lost-Place Fotografie – doch das will sich nicht so recht mit König Ortler paaren.

„Nein, hier gefällt es mir nicht“, sage ich zum Andreas. „Fahren wir das Stück hinunter bis zum Parkplatz bei der letzten Kehre. Von dort sieht man die traurigen Gebäude nicht. Von dort schaut das Stilfser Joch sicherlich ansprechender aus“. Gesagt getan.

Kehren, Kehren und nochmals Kehren - das ist die Stilfserjoch Passstraße
Kehren, Kehren und nochmals Kehren – das ist die Stilfserjoch Passstraße

Ich fotografiere aus der Luft. Da fallen wieder einige Tropfen. Das zwingt mich abzubrechen. Ich bin trotzdem zufrieden. Die Regen-Nebelstimmung verleiht der Passstraße mit ihrer Bergdekoration einen gewissen mystischen Kick.

360° über der Stilfserjochstraße
360° über der Stilfserjochstraße


Ein wenig ein schlechtes Gewissen haben wir schon, während wir die 48 Kehren wieder runterfahren. 18 Kilometer rauf und 18 Kilometer wieder runter nur der Autofahrt und der Fotos wegen. Keine gute (Umwelt-)Kosten-Nutzen Bilanz. Damit die Nutzenseite zumindest etwas mehr Gewicht bekommt kehren wir in der Bar des Berghotels Franzenshöhe ein. So können wir auf der Habenseite zumindest einen Kaffee und noch einige Fotos hinzubuchen.

Die Stilfserjoch Passstraße von der Franzenshöhe aus gesehen.
Die Stilfserjoch Passstraße von der Franzenshöhe aus gesehen.

Hinunter nach Trafoi, weiter nach Gomagoi, rechts abbiegen, hinauf ins Suldental. Wir parken bei der Talstation der Seilbahn Sulden.

Bergtour auf die Eisseespitze

Geplant ist über den 2er Steig zur Bergstation aufzusteigen, dann über den Stecknersteig die Eisseespitze zu erklimmen, weiter zum Eisseepass zu wandern und über den 171er Steig abzusteigen. Konditionell für uns kein Problem, doch ob wir das mental schaffen, das muss sich erst zeigen. Klettern ist nicht unser Ding, Abstürzen auch nicht. Wenn einer von uns beiden umkehren will, dann kehren wir um.

Mein Wanderplan wird schon jetzt beim Start über den Haufen geworfen. Der 2er Steig ist bis zur Mittelstation aufgrund einer Mure gesperrt.

Wir müssen mit dem breiten Schotterweg, der links des Suldenbaches zur Mittelstation hinaufführt, vorliebnehmen. Das erweist sich bald als Glücksfall. Wir sehen eine luftige Hängebrücke, die unter dem Felsturm, auf dem die Mittelstation steht, den Suldenbach überquert. Die lassen wir uns nicht entgehen und schreiten über die schwingende Fußgängerbrücke zum Ertlweg hinüber. Natürlich nicht ohne mittendrin stehen zu bleiben und den kraftvoll rauschenden Suldenbach zu bestaunen, wie er sich kühn über die Felsenklippen hinunterstürzt.

Der Ertlweg führt uns nun rechts des Baches auf besagten Felsturm hinauf. Hier überqueren wir über eine Holzbrücke abermals den Bach und erreichen so die Mittelstation. Nun wieder auf dem breiten Schotterweg, steigen wir bis zur Schaubachhütte und der Bergstation der Seilbahn Sulden auf 2.610 m auf.

Ein Kaffee muss sein. Es wundert uns, dass wenige Wanderer hier sind. August, eine mächtige Seilbahn, eine Bergstation mit großem Restaurant, ein großartiges Bergpanorama und wenig bis keine Wanderer. Komisch!

Wir schauen durch die Glasfassade Richtung Süden zum nahen Berghang. Im Zickzackverlauf schlängelt sich ein Steig hinauf.

„Do gea i obr nit aui!“, sage ich zum Andreas.

Aus dieser Perspektive schaut es aus, als ob sich der Steig sich durch extrem steiles, rutschgefährdendes Gelände hochschraubt. Ein Graus!

Ortler mit Schaubachhütte und Bergstation Seilbahn Sulden
Ortler mit Schaubachhütte und Bergstation Seilbahn Sulden

Bis hier zur Bergstation der Sulden-Seilbahn war die Bergtour ein Spaziergang. Nun beginnt der deftige Anstieg. Schnell stellt sich heraus, dass der Stecknerweg, genau der Steig ist, auf den ich nicht hinauf gehen wollte. Glücklicherweise erweist er sich von der Nähe betrachtet als etwas leichter als von der Bergstation aus vermutet.

Wir steigen im Zickzack auf dem fußbreiten Pfad auf. Trittsicherheit ist hier gefragt. An ein, zwei Stellen sehe ich ein beträchtliches Risiko. Wir treffen eine einsame Wanderin, die uns erklärt, dass sie wenig weiter oben umgekehrt ist, weil es ihr bzgl. Gefährlichkeit zu viel wurde. Wir erreichen die Stelle, es ist die Schlüsselstelle dieser Bergtour.

Die Abmachung mit dem Andreas „wenn einer umkehren will, dann kehren wir um“ erweist sich als zu schwammig und nicht so richtig umsetzbar. Es stellt sich heraus, dass umkehren nur geht, wenn beide umkehren wollen. Doch das ist ein Problem. Wir sind zwar beide gleich vorsichtig und sind beide auch bei geringer Gefahr bereit umzukehren. Somit ist das nicht der Knackpunkt. Aber wir sind komplett unterschiedlich bei der Einschätzung von Gefahren. Für mich sind schottrige, hängende, steile Passagen, bei denen man keine Griffe für die Hände findet und ein simpler Ausrutscher den Tod bedeuten würde, das alles entscheidende Kriterium. Über solche Passagen geht jedoch der Andreas, ohne zu zucken drüber. Der Andreas wiederum mag keine Wände und Grate mit Tiefblick. Die machen mir wiederum nichts aus, sofern es etwas zum Halten gibt.

So kommt es, dass wir an der Schlüsselstelle nicht sofort umkehren. Der Andreas sieht kein großes Problem. Ich schon.

Vor der Schlüsselstelle ein kurzes Drahtseil. Doch genau an der Schlüsselstelle ist keines vorhanden. Ich schätze, dass der Steig weggebrochen ist. Wir müssen eine eineinhalb Meter hohe, erdige, Stufe hinauf. Das Problem, darunter wartet der Tod.

Wir sind beim Diskutieren. Da kommt von oben ein Wanderpaar herunter. Perfekt, die können wir fragen. Vater und Tochter sind recht cool unterwegs. Die Tochter steigt vor unserer Nase auf eine 45 Grad abfallende auskragende Steinplatte hinaus. Der Vater, der bereits unter der Stufe steht, hat ihr die Variante angesagt, weil ihm augenscheinlich die Stufe happig vorgekommen ist. Was er von seiner Position nicht sehen konnte, dass unter der Steinplatte Väterchen Tot wartet. Mir bleibt fast das Herz stehen. Ein klitzeklein wenig Sand auf der Platte, ein Ausrutscher und wir müsste den Notruf wählen. Die Tochter jedoch cool drauf, bedankt sind ein wenig ärgerlich beim Vater, kehrt aber nicht um, sondern quert das daneben gut 60 Grad abfallende Geröll, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie gesagt, 1 Meter darunter der Tod. Wir schauen sie entgeistert an.

Es braucht einige Augenblicke bis wir uns fangen. Dann fragen wir den Vater, nach weiteren Schwierigkeiten. Er meint, dass dies die schwierigste Stelle sei, dass es weiter oben eine unproblematische Drahtseilpassage gebe und kurz vor dem Gipfel einen etwas ausgesetzten Grat, der aber nicht so schwierig sei, weil man sich gut am Felsen festhalten könne. Obwohl wir angesichts der Kaltschnäuzigkeit der Tochter nicht sicher sind, wie wir seine Beschreibung einschätzen sollen, beschließen wir weiter aufzusteigen. Wir warten, bis das Paar nicht mehr in der Falllinie von eventuell losgetreten Steine ist und wagen es.

Der Andreas voraus. Er kraxelt nicht die erdige Stufe, sondern schreitet links davon eine geröllige Rampe hinauf. Ich hingegen entscheide mich für die Stufe und steige somit heute das erste Mal nicht hinter ihm, sondern neben ihm empor.

„Achtung Stein!“, schreit der Andreas. Ein mächtiger Steinblock löst sich und donnert zu Tale. Ich schaue den Andreas entgeistert an. Wäre ich wie dauernd zuvor hinter ihm gewesen, dann wäre ich nun tot!

„Wieso geasch du olm über so a loses Grafl aui und wieso probiersch du nit bevor du die ba an Stoan feschholtesch ob er heb?“, rufe ich im leicht vorwurfsvoll zu.

„I bin lei mitn kloan Finger ongongen“, entgegnet er ganz unbeeindruckt.

Na super, fängt ja gut an! Ich bin an meiner Grenze. Doch der Andreas ist nun oben.

Ich muss mich konzentrieren. Meine Route ist zwar vom Anblick schlimmer, aber da ich im Unterschied zu ihm festen Fels zum Greifen erwische, geht es insgesamt besser. Darüber muss ich 1,5 Meter unfein queren. Ein etwas hervorragender Fels drückt dabei meinen Oberkörper ins Nichts hinaus. Das ist mit dem schweren Rucksack extrem unfein. Ich merke, wie mein Schwerpunkt auf der Schwebe steht.

Geschafft! Stellt sich nur die Frage wie wir da wieder runterkommen. Wir wischen den Gedanken weg und steigen aufwärts. Das Gelände wird nun deutlich felsig fester und darum einfacher und sicherer zu begehen. Die angekündigte Drahtseilpassage ist unproblematisch.

Der Grat von unten betrachtet schaut hingegen schon recht beindruckend aus. Man muss ihn nicht freihändig bewältigen, sondern findet dauernd Halt für die Hände. Wir sind nun im Gelände, das mir nicht so viel ausmacht, aber den Andreas fast in die Knie zwingt.

Kurz vor dem Gipfel, im Hintergrund das Suldental
Kurz vor dem Gipfel, im Hintergrund das Suldental

Auf einmal der Andreas: „I bleib do, i gea da nit weiter aui!“

Das klingt so definitiv, dass ich mich an unsere Abmachung erinnere und den Andreas nicht zum Weitergehen überreden will. Beim letzten Dreitausender der Hohen Wilde, da war es umgekehrt. Da bin ich stehen geblieben und habe die letzten 200 Höhenmeter verweigert. Damals war ich froh, dass mich niemand versucht hat zu überreden.

Dieses Mal fehlen aber laut Höhenmesser nur eine Handvoll mickrige Höhenmeter. Ok, auf einem Grat da können eine Handvoll Höhenmeter auch 1 Kilometer Wegstrecke bedeuten.

„Ich schaue mir nur noch den Verlauf hinter den Felsblock da vorne an, wenn es da so weitergeht, dann kehren wir um“, rufe ich dem sitzenden Andreas zu und steige um besagten Felsblock herum.

Ich traue fast meinen Augen nicht. Der Gipfel ist erreicht! Da wären wir doch tatsächlich 5 Meter vor dem Gipfel umgekehrt!

Ich habe mir einen engen Gipfel erwartet. Nein, eine große, ebene Fläche mit einem weißen Marmorkreuz breitet sich vor mir aus. Ich winke den Andreas freudig herauf: „Kim auer, mir sein do. Do isch es eben und viel Plotz!“. Das hilft, er steigt die letzten Meter herauf. So haben wir es geschafft. Die Eisseepsitze mit 3.230 m über dem Meeresspiele ist erreicht.

Da stehen wir nun. Vor uns die Königsspitze, der Zebrù und der Ortler. Mächtig, imposant – auch wenn ein wenig mehr Weiß auf den Gipfeln nicht schlecht wäre.

Das Rundumpanorama begeistert. Von den drei Großen im Orter Hauptkamm können wir den Blick im Uhrzeigersinn über das Suldental, über die Laaser Berge mit Hinterem Schöneck, Tschengelser Hochwand, Vertainspitze, Hintere Schöntaufspitze und über den Zufrittkamm mit Veneziaspitze, Zufallspitze und Cevedale schweifen lassen. Gewaltig!

360° Rundumblick von der Eisseespitze
360° Rundumblick von der Eisseespitze


Hier lässt es such aushalten. Ein recht deftiges Windchen bläst uns um die Ohren. Das ist für Luftaufnahmen nicht unbedingt ideal, doch erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass vielleicht die Wolken, welche jetzt noch den Ortlergipfel verhüllen, verblasen werden.

Während der Andreas ein Nickerchen hält – ich habe noch nie verstanden warum man auf einen Gipfel hochsteigt um dort ein Schläfchen zu halten – nutze ich die Zeit für die Jagd nach Hochgebirgsfotos und schlendere dabei in Richtung Eisseejoch.

Cevedale und Zufallspitze mit dem gleichnamigen Ferner
Cevedale und Zufallspitze mit dem gleichnamigen Ferner

Den Abstieg über dasselbe habe ich mir mittlerweile aus dem Kopf geschlagen. Ursprünglich hatte ich mir gedacht, wir könnten einfach mal probieren übers Eisseejoch und über den Ferner abzusteigen. Sollte es zu einer Gletscherberührung kommen, könnten wir aufgrund fehlender Gletscherausrüstung einfach umzukehren. Nun hier oben scheint mir die Wahrscheinlichkeit, dass wir dabei tatsächlich umkehren müssten zu groß.

Plötzlich eine Windböe! Mein Gott, ich fühle, wie mein Körper leichter wird. Die Windböe hebt mich fast an. Sowas habe ich noch nie erlebt. Panik! Ich will nur noch runter vom Berg. Wie in Gottes Namen sollen wir mit solchen Windverhältnissen den Grat bewältigen?

Wir den Berg erzürnt, wahrscheinlich zuviel gekitzelt, er will uns nun abwerfen. Zügig renne ich zum Andreas zurück und rufe schon von weiten: „Einpacken, mir sein weck!“

Das muss man dem Andreas nicht zweimal sagen. Wenn der Andreas einen Gipfel erreicht hat, dann will er meist sofort wieder runter. Ich habe nie so richtig verstanden, warum der Andreas überhaupt auf die Berge hinauf rennt.

Glücklicherweise belässt es die Eisseespitze bei der Warnung. Sie wirft uns nicht ab, der Wind beruhigt sich. Da ich beim Andreas am Marmorkreuz ankomme ist er so plötzlich er gekommen ist wieder verschwunden.

Ich habe trotzdem genug. Wir steigen ab. Ich habe mir den Abstieg mental herausfordernd ausgemalt. Das bewahrheitet sich nicht.

Der Grat ist nun unproblematisch, die Schlüsselstelle mit dem abgerutschten Wegstück machbar. Wir können das Berg absteigen sogar genießen. Komisch.

Mit jedem Schritt wird der Gipfel des Ortlers freier. Fast schade, dass wir so überhastet aufgebrochen sind und sich nun Südtirols höchster Punkt Meter für Meter von uns entfernt.

Zurück bei der Schaubachhütte und der Bergstation der Sulden Seilbahn

Andererseits knurrt ein wenig der Magen. Die Schaubachhütte ist zwar geschlossen, doch das Restaurant in der Bergstation der Sulden Seilbahn bietet bis 15.00 Uhr warme Küche.

Wir sind um 14.20 Uhr vor Ort und bestellen. Mir wird der gewaltigste Teller Hirtenmaccheroni serviert, den ich je gesehen habe. Wahrscheinlich ist die Megaportion dem Fehlen von Gästen geschuldet. So kommt es, dass die Köchin hinter der Selbstbedienungstheke extra für mich die Hirtenmaccheroni zubereiten muss und sich im Maß verschätzt. Da außer uns niemand zum Essen da ist, schöpft sie mir den gesamten Topf Maccheroni auf den Teller. Ich bin kein schlechter Esser, trotzdem muss ich kämpfen, sogar mehr als vormittags beim Aufstieg. Doch gleich wie den Dreitausender schaffe ich mit Ach und Krach auch diesen mächtigsten aller Maccheroni Berge.

Ich belausche einen italienischen Familienvater. Er fragt die Köchin wo es zum Gletschersteig. Gletschersteig, das klingt interessant! Vor allem einer den sich ein Familienvater mit Frau und Tochter, die allesamt nicht wie die Berg Erfahrensten ausschauen, zutrauen. Das wäre auch was für uns.

Die Köchin antwortet deutend: „Da hinüber, aber der ist sehr lang, er führt über eine sehr weite Schleife bis zur Mittelstation!“

Familienvater: „Wie lange?“

Köchin: „Drei, ja vielleicht sogar vier Stunden wird man brauchen. Es wäre besser mit der Seilbahn abfahren oder zumindest gerade über den 1er Weg zu Tale zu gehen“.

Familienvater lacht: „Ach drei Stunden, kein Problem. Ich bin ja extra deswegen hier“.

Die Köchin versucht den Familienvater nochmals zu überzeugen. Ich weiß nicht so recht warum. Vielleicht weil Frau und Tochter angesichts einer langen Wanderung kein besonders glückliches Gesicht machen?

Ich recherchiere den Weg in der Alpenverein Aktiv App. 3 h 15 min bis hinunter zur Talstation. Jetzt ist es 5.00 Uhr, das Gewitter wird laut Südtiroler Niederschlagsradar so zwischen 18.00 und 19.00 Uhr kommen. Von der Gehzeit rechne ich 30 Minuten weg und erkläre dem Andreas freudig: „Das geht sich aus, das machen wir!“

Der Andreas ist wenig begeistert, trotzdem sagt er: „Wenn sich das mit dem Wetter ausgeht“.

Gletscherweg

Vor der Hütte hat eine ähnliche Windböe, wie oben am Gipfel, die Frechheit mir den Andreas fast zu vergraulen. Ich muss ihm mit einer bestimmenden Ansage mitteilen: „Das machen wir!“

So wandern wir nun den Gletscherweg (Markierung Nr. 2) hinauf. Es gilt nicht nur in einem großen Bogen abzusteigen, wir müssen auch 200 Höhenmeter aufwärts.

Der ursprüngliche Steig scheint vom Suldenferner bzw. dessen Gletschermoräne vertragen worden zu sein. Wir müssen etwas oberhalb des auf meiner Karte eingezeichneten Pfades marschieren. Bald betreten wir gerölliges Gelände. Steig ist nun keiner mehr zu sehen. Die fleißigen Weghalter haben darum den Verlauf mit weißroten Stöcken markiert.

Obwohl die italienische Familie gute 20 Minuten vor uns gestartet ist und wir eher gemütlich schreiten, holen wir sie schnell ein.

Die zwei weiblichen Mitglieder scheinen jeden Stein als Herausforderung anzusehen. Das ist bedenklich, da der gesamte Pfad ausschließlich auf einem Geröllfeld verläuft und sogar wir, die wir bedeutet schneller unterwegs sind, die Gehzeit bis zum prognostizierten Gewitter knapp bemessen haben.

Wir hoffen, dass sie umkehren werden, schreiten aber selbst entschlossen weiter. Zu unserem Erstaunen begleiten uns zwar links über uns Eisfelder, doch unter unseren Füßen ist nur Geröll, kein Eis. Das Wandern von Stein zu Stein ist mühsam, wir kommen nur mäßig schnell voran.

Hoppala, ein klitzekleiner Eisfleck und schon wären wir fast ausgerutscht. Dann ein Spalt. Da fällt es wie Schuppen von den – wir queren gerade den Gletscher. Nur sehen wir ihn nicht, weil er über und über mit kantigen Steinen bedeckt ist.

Rums! Über uns kracht es. Donnernd prasselt Gletschereisbrocken zu Tale. Wir stehen nicht nahe aber genau in der Auslaufschneise. Wie weit hier Gletschermassen rutschen wissen wir nicht, es gibt mir aber zu denken, dass wir auf einer Gletscherzunge stehen, die auf und auf mit Steinen bedeckt ist. Irgendetwas muss die Steine hierhergetragen haben.

So sind wir froh, da wir die Gletschermoräne geschafft haben. Ein Schotterhang, an dem der Steig weggebrochen ist, zwingt uns zuerst einige Meter hinunter, nur um anschließend die verlorenen Höhenmeter im Zickzackaufstieg wieder bewältigen zu müssen. Nun queren wir den steilen Schutthang auf einem fußbreiten Steig. Der Andreas 10 Meter voraus. Ich bleibe etwas hinten zum Fotografieren. Von dieser Seite ist die Gletschermoräne besonders reizvoll, weil bläulich schimmernde Gletscherspalten und Gletscherlöcher sichtbar sind.

„Pozellana!“, höre ich den Andreas schreien. Mir bleibt fast das Herz stehen. Mit einem Fuß im Abgrund kann er gerade noch sein Gewicht so verlagern um am Steig irgendwie haften zu bleiben. Ein Absturz hätte an dieser Stelle zwar wahrscheinlich nicht mit dem tot geendet, doch einen Notruf hätte ich schon absetzen müssen.

„Wos hosch ongstellt“, rufe ich dem Andreas zu.

„Nit gedenkt“, antwortet er.

Ich kann mir schon vorstellen was war. Weil der Steig, zwar steil rechts abfallende aber insgesamt flach und ohne Stolperfallen hat Andreas‘ Autopilot eingeschaltet und ihn in seine typische meditative Gangart versetzt. Da wird nicht dann nicht mehr auf dem Weg geschaut, da ist das Hirn mit anderem beschäftig, in seinem Fall wahrscheinlich mit Aphorismen erfinden. Das könnte in solchem Gelände fatal sein. Ich mache mir Vorwürfe. Hätte ich wissen müssen und ihn wie sonst immer volllabern sollen, sodass sein Autopilot nicht einschaltet.

Der Schutthang ist geschafft. Nun geht es ungefähr zur Hintergrathütte und zum Hintergratsee hinunter.

Von der Schutzhütte kommen uns Wanderer entgegen, die sich augenscheinlich die Gletscher Moräne anschauen wollen. Das ist insofern verwunderlich, weil vom Himmel einige Tropfen fallen.

Wir fragen, ob sie jetzt noch, bei dem sich ankündigen Gewitter vorhaben, den Gletscher zu erwandern. Sie entgegnen, sie werden ihn sich nur vom Rand aus anschauen. Für sie ist es nicht weit, weil sie in der Hintergrathütte übernachten. Aha.

Die Hintergrathütte mit dem Hintergratsee, dahinter die Eisseespitze auf der wir vor wenigen Stunden waren.
Die Hintergrathütte mit dem Hintergratsee, dahinter die Eisseespitze auf der wir vor wenigen Stunden waren.

Kaum die Schutzhütte und den Bergsee passiert fängt es richtig zu regnen an. Wir müssen einen Gang zulegen. Der mittelmäßige Regen ist zwar auszuhalten doch das angekündigte Gewitter wollen wir nicht unbedingt mitmachen. Wer weiß was dabei dem Suldenbach und unten am Parkplatz dem Rosimbach so einfällt. Ist nicht auszuschließen, dass die beiden Wildbäche Muren zu Tale tragen werden. Die letzte Abfahrt der Sulden Seilbahn geht sich leider nicht mehr aus. Wir werden ordentlich nass, kommen aber ohne Blitz und Donner, nach 2 Stunden und 45 Minuten bei der Talstation der Seilbahn an.

Bei der Heimfahrt schaffen wir es sogar dem Wetter davon zu fahren, sodass sich ein kurzes Anhalten beim Freilichtmuseum des Künstlers Lorenz Kuntner alias „der Indianer aus Prad“ ausgeht. So schließen wir den Bergtag mit indianischen Eindrücken von Totempfählen, die vor allem mit Tierknochen dekoriert sind, ab.

Wanderkarte mit GPS-Track zum Download Bergtour Eisseespitze

Akt. Position: -km, -m
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50 100 150 200 5 10 15 Entfernung (km) Höhe (m)

Eckdaten der Tour

Bergtour auf die Eisseespitze

  • Dauer: 8:05 h
  • Distanz: 17,7 km
  • Bergauf: 1.567 m
  • Bergab: 1.575 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
Es handelt sich um eine Tour der Kategorie Bergtouren
In welcher Region befindet sich die Tour?
Die Tour befindet sich in der Region Ortlergebiet
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Es handelt sich hierbei um einen Berg der 3.000er Kategorie. Der tiefste Punkt der Tour liegt auf 1.901 m über dem Meeresspiegel. Der höchste Punkt der Tour liegt auf 3.229 m über dem Meeresspiegel.
Wie lang ist die Strecke?
Die Tour ist 17,7 km lang.
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Es sind 8,4 Kilometer und 1.567 Höhenmeter im Aufstieg zu bewältigen. Das entspricht einer durchschnittlichen Steigung von 20,0 %.
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Im Abstieg sind 8,7 Kilometer und 1.575 Höhenmeter zu bewältigen. Das entspricht einem durchschnittlichen Gefälle von 19,2 %.
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Ein durchschnittlicher Wanderer benötigt für die reine Gehzeit ca. 10:35 Stunden, ein geübter Wanderer ca. 8:05 Stunden.
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Bei der Wanderung werden ca. 2.855 kcal verbrannt.
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?

Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:

Fotos Bergwelt Ortler

Hoteltipps für Ihren Wanderurlaub in Südtirol

2 Kommentare über “Bergtour auf die Eisseespitze”

  1. Karl-Heinz Weller says:

    Hey Dietmar

    Wir haben hier nochmals Mitte April ein sehr kühles Wetter, was ich dazu benutzt habe nochmals in deinen letztjährigen Touren zu stöbern.
    Das Gebiet um Sulden/Trafoi/Comagoi ist immer einen Besuch wert, wenn man in der Ecke Urlaub macht. Ich mache zumeist einen Abstecher wenn ich wie in den letzten Jahren in unregelmäßigen Abständen im Vinschgau Urlaub mache.
    In Sulden und auch Trafoi war ich schon recht oft, z.b. vor 2 Jahren erst an der herrlichen Wallfahrtkapelle „Heilige Drei Brunnen“ mit seinen grandiosen Wasserfällen am Talschluß. Ich wollte zur Sammlung meiner vollständigen Hüttenwanderungen noch die Bergl-Hütte aufsuchen, aber die war geschlossen.
    Im übrigen ist die Payer-Hütte schon für sich inklusive Tabarette-Hütte auf dem Weg dorthin eine einmalig schöne Rund- und Hüttentour, wobei der Aufstieg zur Payerhütte nicht gerade ein leichter Spaziergang ist, sondern mindestens gute Trittsicherheit voraussetzt. Dies am Rande von einem ebenfalls nicht gänzlich schwindelfreien Wanderer bemerkt.
    Tabaretta, Payer, Schaubach- und Madritschhütte hatte ich in den früheren Jahren meiner Wanderungen bereits besucht und an der Hintergrathütte, so wie bei Eurer Tour machte ich sie als Rundtour über den „Kanzellift“ und ging ebenfalls über die von euch begangene Hängebrücke. Da mir gegen Nachmittag bei einsetzendem Regen jedoch der Aufstieg zur Schaubachhütte zu lang und beschwerlich vorkam ging ich entlang des Baches wieder ins Dorf zurück.
    Daher kann ich mir ein Bild Eures Aufstiegs- und Gipfelweges machen, da ich den eigentlich auch im Visier hatte, doch die Wetterprognose hielt mich von der Eisseespitze ab. Auch ohne den Gipfel war das wiederum eine schöne Rundtour, der Abstiegsweg zur Hängebrücke ist auch als Hüttenweg mit Vorsicht zu genießen.
    Deine Bilder vom „grauen Gletscher“ sind wieder grandios und geben einen Eindruck von der Veränderung der Bergwelt wieder.

    Liebe Grüße von Charly
    P.S. (In 9 Wochen bin ich am Start in Südtirol)

  2. Dietmar Mitterer-Zublasing says:

    Hallo Charly,

    als wir in der Gegend waren, habe ich an dich gedacht, weil ich mich erinnerte, dass du öfters in Sulden-Trafoi warst. Das Ganze war eine tolle Tour, auch wenn es für uns an zwei Stellen an der Grenze war. Nicht unbedingt wegen der Steilheit und der Höhenmeter, sondern weil wir Exponiertheit und gefährliche Passagen nicht mögen ;-). Und dann oben auf dem Gipfel plötzlich eine Windböe, die mich fast in die Höhe gehoben hat. Wow. Zum Glück nur kurz. Fertig.

    Da wurde mir wieder bewusst: Die Berge sind wunderschön, aber auch mächtig und nicht zu unterschätzen!

    Und dann zum Schluss der Regenschauer. Ok, im ungefährlichen Gelände, aber ein paar Tage vorher oder war es danach hat ein reißender Bach die Heilige Drei Brunnen Kirche ausgeweidet…

    Viele Grüße
    Dietmar

    P.S. Mal sehen, ob es heuer im Juni klappt…

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