Das Buch „Normalwege in den Dolomiten“ von Rudolf Wutscher hat nur wenige Steige, die wirklich für Ottonormalverbraucher geeignet sind, zu bieten. Die meisten der beschriebenen Dolomiten Normalwege weisen Passagen in den Schwierigkeitsgraden I, II und sogar III auf. Das ist heuer für die beste Ehefrau von allen nicht zu schaffen. So suche ich eine der wenigen Touren ohne Schwierigkeitsgrade heraus. Pale di San Martino, Fradusta 2.938 m ist somit eingelocht.
Auf geht’s, durch das Fleimstal nach Predazzo, dort rechts abgebogen und weiter über den Rollepass bis nach San Martino di Castrozza (1.467 m, im Primierotal, westlich der Palagruppe) zur Talstation der Kabinenseilbahn Col Verde. Die freundliche Italienerin bei der Kartenausgabe fragt: stazione Col Verde o stazione Rosetta? Kurz überlegt, dann nur Col Verde andata e ritorno genommen. Wir wollen ja nicht hinauf fahren, sondern hinauf wandern.
Am Col Verde hoch über San Martino di Castrozza beginnt unsere Bergtour. Die meisten Wanderer fahren mit der Rosetta Seilbahn weiter bis zum Rifugio Rosetta. Wir wandern unter der Seilbahn hindurch auf dem schönen, gut präparierten Natursteig der Bergstation entgegen.
Der Steig ist, wie recherchiert, einfach, doch plötzlich stehen wir vor einer etwas ausgesetzten Stelle. UPS! In meinen Augen überhaupt kein Problem, weil immer noch 50 cm breit, gut mit Drahtseil und teilweise sogar mit Geländer gesichert, also für mich immer noch ein einfacher Bergwandersteig. Die beste Ehefrau von allen sieht das etwas anders. Meine Befürchtung, dass sie den Rückwärtsgang einlegt, bewahrheitet sich aber zum Glück nicht.
Nach knapp 650 Höhenmetern erreichen wir das Hochplateau Altopiano delle Pale, wo sowohl die Bergstation als auch – 300 m entfernt – die Schutzhütte Rosetta (2.581 m) stehen. Urplötzlich sind wir mitten im Getümmel der Menschen, die einer Völkerwanderung gleich von der Seilbahnstation zum Rifugio Rosetta rüber pilgern.
Wir halten uns nicht auf und wandern nach ein, zwei Fotos am Rifugio Rosetta vorbei in Richtung Passo Pradidali basso (2.621 m), Ghiacciaio (Gletscher) Fradusta und Passo della Fradusta (2.679 m). Die Cima Fradusta ist komischerweise nicht angeschrieben, nur der Gletscher. Das felsige Hochplateau bietet einen sehr leichten Steig, der aber wegen der Untergrundbeschaffenheit dieser Steinwüste – man muss dauernd Tritt für Tritt schauen, wo man den Fuß aufsetzt – nicht die Luft schauend, mit den Händen im Hosensack, pfeifend begangen werden kann.
Die Differenz der Höhe von unserm Ziel Spitze Fradusta und der Höhe von unserem Ausgangspunkt Bergstation Col Verde ergibt nicht die vom Buch Normalwege Dolomiten beschriebenen 900 Höhenmeter. Jetzt wissen wir auch warum. Der steinige Pfad führt uns immer wieder etwas rauf, dann wieder runter bis wir nach ??? Stunden die Gletscherzunge der Cima Fradusta und wenig später den darunter liegenden Gletschersee sehen.
Die meisten Wanderer haben den Gletschersee als ihr persönliches Ziel auserkoren. Wir beide müssen noch weiter, leicht links ausholend über den Grat hinauf auf die Spitze.
Müssen, weil ich nicht unbedingt fit bin. Muskelkrämpfe plagen mich, komischerweise erst seit wir den verhältnismäßig flachen Pfad auf dem Hochplateau entlang gegangen sind. Bei Aufstieg von Col Verde zum Hochplateau hinauf war davon noch nichts zu spüren.
Der Aufstieg wird zum Rekord im Langsamwandern. Stress pur, das Monster Muskelkrampf in enge Schranken zu weisen. Stress wird ja bekanntlich dadurch produziert, dass man eine Situation nicht kontrollieren bzw. beherrschen kann und genau das ist heute bei mir der Fall. Ich komme überhaupt nicht dahinter, wie ich gehen muss, damit sich dieser verdammte Muskelkrampf, der sich mal da mal dort präsentiert, endlich vertschüsst!
Irgendwie schaffe ich es dann trotzdem rauf auf den höchsten Punkt des Grades.
Um 14.00 Uhr stehen wir auf 2.939 m inmitten der Pale di San Martino auf der Cima La Fradusta. Unter uns die Gletscherzunge und der Gletschersee, nordöstlich die Pfähle (=Pale) der Palagruppe: Cima Vezzana (3.192 m), Cimon della Pala, Cima Bureloni, Cima Canali, Pala di San Martino, Cima Wilma, Monte Mulaz, Monte Agnér, Sass Maor und Cima della Rosetta, westlich eine Nebelwand.
Mittagessen, endlich! Ein gutes Brot mit Südtiroler Speck, Südtiroler Käse und selbst eingelegten Gurken, das schmeckt!
Wir geben uns nur eine halbe Stunde auf dem Gipfel, denn wir wollen die Seilbahn nutzen, um vom Altopiano delle Pale wieder hinunter zu kommen.
Der Rückweg ist heute der gleiche, wie der Hinweg, eine unserer seltenen Hin- und Zurückwanderungen, normalerweise machen wir immer Rundwanderungen. Die beste Ehefrau von allen freut es, denn so weiss sie, wie der Weg ist und muss nicht dauernd befürchten, vor einer für sie unüberwindbaren Stelle zu stehen.
Bis zum Gletschersee runter schaffen wir es, trotz GPS, den Steig um vier- bis fünfhundert Meter zu verfehlen. Uffa.
So langsam schwant uns, dass wir knapp in der Zeit sind, wenn wir die Rosetta Seilbahn zur Abfahrt nehmen wollen. Zwar haben wir keine Ahnung, um wie viel Uhr die letzte Abfahrt ist, aber da die Kabinenseilbahn Col Verde um 16.50 Uhr die letzte Abfahrt ausweist, wird die Rosetta Seilbahn wohl kurz davor liegen.
Es wird knapp, sehr knapp. Wir wandern immer schneller, Steinhügel rauf, wieder runter, wieder rauf. Ich brauche Zuckernachschub; ein Apfel muss reichen. Während des Gehens zwar mühsam zu essen, aber es geht nicht anders. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit durch die Steinwüste der Palagruppe, stehen wir um 16.30 vor der Rosetta Schutzhütte. Wir müssen aber noch einige hundert Meter zur Bergstation der Seilbahn rauf. Endspurt, Kollege Muskelkrampf will natürlich auch mit.
Fuß ins Gebäude gesetzt, Fahrkarte gelöst, rein in die Kabine, geschafft, auf die letzte Minute genau. Welch ein Glück. Zufrieden schweben wir hoch über dem Steig Nr. 701 auf San Martino di Castrozza runter blickend zur Col Verde Bergstation hinunter und von dort dann schließlich bis zur Talstation derselben ins Dorf San Martino di Castrozza hinunter.
Damit haben wir nun endlich auch die Palagruppe in unser Wanderrepertoire aufgenommen.
GPS Col Verde – Cima Fradusta in der Palagruppe
Akt. Position: -km, -m
↓ download GPX
Eckdaten der Tour
Cima Fradusta – Pale di San Martino
- Dauer: 8:55 h
- Distanz: 20,2 km
- Bergauf: 1.735 m
- Bergab: 1.635 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- Rifúgio Col VerdeHöhe: 1.917 m ü. d. M.GPS: 46.271613, 11.822192
- Rifúgio RosettaHöhe: 2.570 m ü. d. M.GPS: 46.267550, 11.838835
- Passo Di Pradidali (2658m)Höhe: 2.657 m ü. d. M.GPS: 46.258175, 11.864982
- Cima Di Fradusta (2939m)Höhe: 2.941 m ü. d. M.GPS: 46.251135, 11.873544
Hallo Ihr Lieben
Grandios wieder Deine Bilder, lieber Dietmar von dieser Mondlandschaft in den südlichen Dolomiten, der Pala-Gruppe. Bin immer wieder begeistert von deiner „Dia-Show“ und auch den Panoramabildern ….
Wie ich im Mail bereits vor Wochen angedeutet hatte, verlief ich mich in dieser Mondlandschaft mal vor einigen Jahren grandios, als ich allerdings mit der Rossetta-Bahn bis zur obersten Sektion fuhr, dann über die Rossetta-Hütte schnurstracks Richtung Paridali Hütte laufen wollte um dann auf dem demselben Weg wieder zurückzulaufen, als Alternative hatte ich noch den Ball-Pass – war im „Dolomiten-Kompakt von E. Hüsler sehr ausgesetzt beschrieben- auf der Rechnung.
Pustekuchen, verlief mich bereits recht früh auf der Pala-Oberfläche und kam nach rechts in Richtung Tal. Beruhigend dass der Weg ins Tal begehbar ausschaute sodass ich einen Linksschwenk Richtung Paridali-Hütte wagte und irgendwann mitten auf dem äußerst schmalen und zwar mit Ketten gut gesicherten Ball-Pass landete um dann irgendwann nach dem Ausstieg aus dem zwar anspruchsvollen aber gut machbaren Ball-Pass noch eine Wegstunde oberhalb der sehr weit unten erscheinenden Paridali-Hütte stand und aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit zu faul war dorthin weiterzulaufen.
Ich musste dann um ins Tal zu kommen ein zweites Mal den eigentlich von mir zu meidenden Ball-Pass an Seilen und Ketten zurückgehen, nunmehr ein Kinderspiel, da ich ja wusste was auf mich zukam.
Kam dann auf einem steilen und alternativen zu eurem beschriebenen Aufstiegsweg insTal führenden Wandersteig wohlbehalten im Tal an, wohlwissend Glück und stabiles Wetter gehabt zu haben.
Diese kleine Episode anlässlich Eurer Pala-Durchquerung wäre nicht der Rede wert, wenn ich nicht dieses Jahr am Frühstückstisch in Toblach zwei Landsleute aus Hessen getroffen hätte, denen dasselbe Mißgeschick, bzw. exakte gleiche Verlaufen des eigentlich geplanten Wanderweges vor Jahren wie mir passierte, es gibt schon komische Zufälle in den Bergen, oder ?
Euch wünsche ich immer eine gute Heimkehr, Freude beim Wandern und noch schöne Touren für den Rest des Jahres, bin schon gespannt, wo Euch eine Eure letzten Touren des Jahres hingeführt hat!
Ja vom „Verlaufen“ könnte ich hier sicherlich auch öfters erzählen wenn wir nicht immer mit GPS wandern würden. Wir haben uns angewöhnt zuerst die Tour aus GPS zu laden. Für Südtirol Touren klappt das wunderbar wenn man das Projekt trekking.suedtirol.info kennt. Für andere Touren ist es teilweise schwierig eine GPS Datei zu recherchieren. Da nutze ich manchmal die Onlinekarte von kompass.at und zeichne den Weg ungefähr nach. Dann verläuft man sich nur so weit wie man ungenau gezeichnet hat 😉
Früher – ohne GPS, damals habe ich noch nicht gebloggt – hatten wir solche Episoden wir du beschreibst am laufenden Band *g*
Grüße
Dietmar
Hallo Dietmar, sehr schön diese Tour, auch wir haben diese aber umgekehrt gemacht. Vor dem, auch wir hatten bei dieser Stelle einige Bedenken. Wir hatten alles dabei doch den Hund mit.
Vielen Dank noch einmal für die guten Tips für den Blog.
Markus
Hallo Markus,
hmm.. umgekehrt, wie denn das? Vom Gletscher Cima Fradusta aus gestartet und dann runter. Wahrscheinlich nicht. Eher mit der Seilbahn Col Verde rauf und dann zu Fuß runter oder? Runter ist immer etwas unfein, bei ausgesetzten Steigen und wenn man auch noch auf einen Hund aufpassen muss, dann ist man sicherlich gut beschäftigt 😉
Grüße
Dietmar