Sonnenaufgang auf dem Grödner Joch mit Blick auf die Langkofel und die Cirspitzen, herrlich! Wir wollen über die Scharte Forcella de Cir zur Puez-Hochebene aufsteigen, über die Forcella de Ciampei zum Bergsee Lech de Ciampei absteigen und dann den Dolomiten-Aussichtsgipfel Sassongher erklimmen. Zurück soll es fast bis nach Kolfuschg gehen und schließlich am Fuße des Sas Ciampac über die Wiesen Pra de Tru zurück zum Grödner Joch.
Aufstieg zum Cirjoch und zum Crespeinajoch
Auf geht’s! Zuerst wandern wir über Wiesen auf dem Europa Höhenweg (Markierung Nr. 2) hinauf zur schönen Jimmi Hütte. Jetzt in der Zwischensaison ist sie natürlich geschlossen. Über uns die Cirspitzen. Sie leuchten in der noch tief stehenden Sonne in den schönsten Orangetönen. Bald oberhalb der Jimmihütte, im Latschengelände, erkennen wir nach Osten die Nuvolaugruppe, wo wir erst vor 10 Tagen waren. Rechts im Hintergrund zeichnet sich die Silhouette des Monte Pelmo ab. Dominierend aber sind nach Süden die mächtigen Nordwände des Sellastocks und nach Westen die nicht minder mächtige Langkofelgruppe und die zum Greifen nahe Große Cirspitze.
Je weiter wir aufsteigen, desto spärlicher wird die Vegetation. Bald erreichen wir eine Mischung aus Fels und Geröll. Darüber erhebt sich der markante Danter les Pizes, übersetzt „Zähne der Gipfel“. Der Name passt wie die Faust aufs Auge. Die steilen, zerklüfteten Felsformationen sehen tatsächlich aus wie Zähne.
Nächstes Etappenziel ist das Cirjoch (Forcela de Cir). Von hier aus können wir über das Val Chedul hinunter nach Wolkenstein im Grödnertal und gleichzeitig hinauf zum Crespeinajoch blicken, dem wir nun auf dem Weg Nr. 2 entgegen wandern. Hinter uns öffnet sich der Blick auf die Seiser Alm und den Schlern.
Wie so oft bei Aufstiegen bin ich vorne und Andreas hinten. Das ändert sich, sobald wir am Crespeina Joch den Herrgott erreichen und damit in die Puez Hochebene eintreten.
Was für eine herrliche Gegend.
Wir können die folgenden Gipfel und Hochebenen sehen:
- Crespeina-Hochfläche mit Crespeinasee
- Puez-Hochfläche mit Puezkofel, Piz de Puez und Piz Duleda
- Gherdenaccia Hochfläche mit dem markanten Col dala Sone und im Hintergrund den Zehner der Kreuzkofelgruppe
- In entgegengesetzter Richtung: die Seiser Alm mit dem Schlern
Da es nun leicht abwärts geht und ich mich wegen meiner Knie etwas schonen muss, aber vor allem, weil mich die wunderbare Karstlandschaft fotografisch fasziniert, gehe ich langsamer.
Was ist das da vorne, sieht aus wie ein Vulkankegel. Der Col dala Sone. Der Col dala Sola markiert den Übergang von der Puez Hochebene zur Gardenaccia. Leider werden wir ihn heute nicht erreichen.
Macht aber nichts. Auch hier auf der Puez-Hochebene gibt es interessante Berglandschaften zu bestaunen. Der Bergsee Lech de Crespeina, der Col del Puez mit der Puezhütte darunter und natürlich die Puezspitze.
Ich erinnere mich an vor 14 Jahren. Damals bin ich mit meiner besten Ehefrau von allen von Wolkenstein über das Langental zum Piz de Puez aufgestiegen, der mit 2.913 m nur knapp die Dreitausendermarke verfehlt. Danach ging es über den Sas Ciampac zurück zum Crespeina Joch und durch das Val de Chedul zurück nach Wolkenstein.
Mein Gott, wie die Zeit vergeht.
Hinunter ins Ciampeital Richtung Kolfuschg
Wir erreichen das Ciampeijoch und biegen ins Ciampeital in Richtung Kolfuschg hinab. Leider müssen wir jetzt 260 Höhenmeter absteigen. Abstiege sind Gift für meine angeschlagenen Minisken. Am liebsten würde ich immer nur bergauf gehen. Andreas sieht das anders. Da wir am heute wasserlosen Bergsee Lech de Ciampei vorbeikommen, hat er mich schon einige Meter abgehängt. Das passt mir eigentlich ganz gut, denn so kann ich beim Fotografieren des herrlichen Bergpanoramas mit dem Sassongher zur Linken, den Ampezzaner Dolomiten in der Flucht und dem schönen Wanderweg Nr. 4 zur Rechten auch einen Menschen mit ins Bild nehmen.
Aufstieg zum Sassongher
Wir erreichen die Abzweigung zum Sassongher (Markierung Nr. 7). Plötzlich sind wir nicht mehr allein. Obwohl es November ist, drängen zahlreiche Bergsteiger auf den Gipfel. Andreas bleibt etwas zurück. So muss ich immer wieder warten, was ich jedes Mal zum Fotografieren nutze. Wieder wundere ich mich, wie die Zeit vergeht. Früher hat uns selten jemand überholt, heute müssen wir den meisten Wanderern den Vortritt lassen.
Für uns Stufen aus Baumstämmen, darüber – nach meinem persönlichen Empfinden – die Schlüsselstelle. Sehr steil, mit ordentlicher Rutschgefahr, denn der Untergrund ist locker und mit Kalkmehl bedeckt und ringsherum gibt es wenig bis nichts zum Festhalten. Für mich sind solche Passagen der Horror und das Maximum des geistig Machbaren. Nicht so für Andreas, er geht die Rinne aufrecht hoch als ob sie keine Todeszone wäre.
Jetzt stehen wir vor dem Drahtseilakt. Hier wendet sich das Blatt. Wir müssen eine Felswand hochklettern, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber da ist ja ein Drahtseil, somit macht mir diese Passage nichts aus. Anders beim Andreas. Er will nicht weiter. „Ich warte hier“, sagt er, da er das Drahtseil sieht.
„Ich verstehe dich nicht! Da unten, wo es wirklich real gefährlich war, weil es nichts zum Festhalten gab, da gehst du drüber, als wäre nichts, und hier, wo es 100% sicher ist, weil du dich an einem Drahtseil festhalten kannst, willst du nicht rauf? Schau, ich frage die Leute, die da runterkommen, wie es weiter oben ausschaut, dann sehen wir weiter“.
Gesagt, getan. Das gefragte Paar versichert uns, dass die Stelle vor uns die schwierigste sei und es danach bis zum Gipfel viel leichter werde.
Das hilft, Andreas überwindet sich und wir erklimmen die Felsstufe. In der Mitte kommt uns ein junges Paar entgegen. Er, die Hände in den Hosentaschen, steigt um uns herum, als wäre er eine Gämse. Uns stockt der Atem. Wir verstehen die Welt nicht mehr.
Das Drahtseil hinter uns, geht es nun wie versprochen, zwar nicht ungefährlich, aber doch deutlich einfacher zum Gipfel.
Bergsteiger mit Hund kommen uns entgegen. Ist der Hund hochgeflogen, frage ich sein Herrchen. Nein, der kann klettern, ist die lapidare Antwort.
Und wieder verstehen wir die Welt nicht mehr.
Am Gipfelkreuz auf dem Sassongher
2.665 m. ü. d. M., das Gipfelkreuz auf dem Sassongher ist erreicht. Unter uns breitet sich das Gadertal mit seiner Dolomitenwelt aus.
Ausblick (von Norden im Uhrzeigersinn):
- Peitlerkofel
- Piz da Peres
- Kreuzkofelgruppe mit Zehner und Heiligkreuzkofel
- Piz Lavarela und Piz Conturines
- Tofane
- Lagazuoi
- Antelao
- Hexenstein
- Croda da Lago
- Nuvolaugruppe
- Monte Pelmo
- Col di Lana
- Civetta
- Marmolata
- Piz Boè und Pisciadù Spitze auf dem Sellastock
- Lankofel
- Sass Ciampac
- Col dala Pieres in der Stevia-Gruppe
- Geislerspitzen
- Puezspitze
Gewaltig ist der Rundumblick!
Wir bleiben eine Stunde.
Abstieg und über die Pra de Tru Wiesen zurück zum Grödner Joch
Nun steht der Abstieg an. Wie so oft fällt er uns etwas leichter, als wir es uns beim Aufstieg vorgestellt haben. Nur ich merke so langsam, dass die Menisken anfangen sich deutlich zu beschweren. Sehr ärgerlich, dass sich auch der linke, den ich seit 1,5 Jahren nicht mehr gespürt habe, mit Macht zu Wort meldet. Der Abstieg wird diesbzgl. für mich zur Qual. Ich sehne mich nach Aufstieg.
Ab der Kapelle St. Franziskus wird das Gelände almiger und ab der Bergstation des Sesselliftes Stella Alpina sind die Abstiegsmeter endlich geschafft.
Ich darf nun etwas aufwärts gehen und anschließend mehr oder weniger flach wandern. Ein sehr reizvoller Wanderweg, zuerst durch Latschen, dann durch eine Mischung aus lichten Lärchen- und Föhrenwäldern und zum Schluss über Almwiesen. Im Sommer muss man hier mit etwas Straßenlärm – vor allem von Motorradfahrern – rechnen, der von der Grödner Passstraße heraufschwappt. Nicht so jetzt im November. In herrlicher Stille wandern wir gemütlich über die Pra de Tru Wiesen dem Grödner Pass entgegen. Wäre da nicht das schmerzende Knie, es wäre die Herrlichkeit auf Erden. Etwa 1/4 vor dem Pass sehen wir links einen grünen Hügel, auf dem eine einsame Bank steht. Ein schöner Rastplatz mit Blick auf die imposante Sellawand. Den lassen wir uns nicht entgehen und nutzen ihn, um auf den Sonnenuntergang zu warten.
So ein Sonnenuntergang mit der anschließenden Abendröte ist etwas sehr Emotionales. Und wenn man dann noch in den Bergen ist und sie so liebt wie wir, dann kann einem schon mal eine Gänsehaut sprießen.
Wie immer genießt der Andreas das Spektakel in seiner und ich in meiner Weiße. Nicht alle Menschen sind gleich. Der eine will das Spektakel in Ruhe anschauen oder gar mit einem Nickerchen belohnen, der andere in geschäftiger Hektik mit Fotografieren. Wir sind allein, es gibt keine Kritik wie anderswo. (Ich kann diese Kritik verstehen, denn ich wäre auch lieber einer, der so ein Ereignis in Ruhe genießen kann, aber ich kann einfach nicht aus meiner Haut.)
Eine gute Stunde verweilen wir, dann geht es weiter. Jetzt sind wir eingehüllt in die orange-rosa Farben der „Enrosadira“. Was für ein schönes Wort.
Enrosadira
„Enrosadira“ kommt aus dem Ladinischen. Der Begriff bedeutet sinngemäß „Rötung“ oder auch „Erröten“ und beschreibt das beeindruckende Naturphänomen, wenn sich die Gipfel der Dolomiten bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang in intensiven Rosa-, Orange- oder Rottönen färben, weil das Licht der tief stehenden Sonne auf das besondere Kalk- und Dolomitgestein trifft. Dieses Phänomen wird von den Bewohnern der Dolomitentäler seit jeher als magisch empfunden und hat daher eine kulturelle und mythische Bedeutung. Im deutschen Sprachgebrauch spricht man vom Dolomiten-Glühen, in den Alpen allgemein vom Alpenglühen. Das ist auch ein schönes Wort, aber ich bevorzuge den Begriff erröten. Die Dolomiten erröten über das Kompliment, das ihnen der Betrachter mit seinem Staunen macht. Eine schöne Vorstellung.
Dankbar, wieder einmal das Dolomitenglühen bewundern zu dürfen – letzte Woche am Falzaregopass in der Nuvolaugruppe hatten wir es schon einmal in diesem Jahr genossen – schlendern wir nun mehr als wir wandern zurück zum Grödner Pass.
Und da es im geöffneten Souvenirladen – alle anderen Geschäfte sind heute geschlossen – neben Souvenirs auch Getränke und Schokolade zum Mitnehmen gibt, decken wir uns damit ein und machen es uns für eine kurze Trink- und Naschpause im Auto gemütlich.
Die Nacht bricht über den Grödner Joch herein. Der klare Sternenhimmel bringt mich auf eine Idee. Wir könnten doch über den Karersee nach Hause fahren.
Dann könnte ich den Latemar vielleicht nicht bei Enrosadira, sondern unter dem Sternenhimmel und mit der Spiegelung im See einfangen.
Gesagt, getan.
Heimfahrt mit Fotopause am Karersee
Auf halbem Weg nach Hause sind wir am beliebten Foto-Hotspot Karer See. Alleine! Andreas wartet lieber im warmen Auto. So schnalle nur ich mir die Stirnlampe auf den Kopf und steige die wenigen Meter zum vermeintlich sternenklaren Karer See hinunter.
Enttäuschung: Große Teile des Sees sind trotz des vergangenen warmen Tages von einer Eisdecke bedeckt. Also keine Spiegelung.
Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, um den heute – wegen des Eises – krachenden und knackenden See zu schlendern und die eine oder andere Langzeitbelichtung zu knipsen. Das Stativ hatte ich zum Glück im Auto. Bis zum Schluss bin ich mit der Fotoausbeute doch recht zufrieden, auch weil die Fotos etwas anders geworden sind als die doch immer sehr ähnlichen Karerseefotos.
Wanderkarte mit GPS zum Download der Bergtour vom Grödner Joch zum Sassongher
Akt. Position: -km, -m
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Eckdaten der Tour
Bergtour vom Grödner Joch auf den Sassongher
- Dauer: 7:25 h
- Distanz: 17,3 km
- Bergauf: 1.403 m
- Bergab: 1.412 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- AussichtspunktHöhe: 2.101 m ü. d. M.GPS: 46.552720, 11.825817
- Danter la Pizes (Ortsbezeichnung)Höhe: 2.418 m ü. d. M.GPS: 46.559200, 11.816204
- Edelweisshütte (Restaurant)Höhe: 1.834 m ü. d. M.GPS: 46.563642, 11.853368Edelweisshütte (Restaurant) 39033, Corvara in Badia - Corvara, Bolzano - Bozen, ITA
- Furcela de Ciampëi (2366)Höhe: 2.359 m ü. d. M.GPS: 46.577032, 11.837640
- Furcela de Cir (2469)Höhe: 2.448 m ü. d. M.GPS: 46.561131, 11.815925
- Gran Cir - Große Cirspitze - Grande Cir (2592)Höhe: 2.522 m ü. d. M.GPS: 46.558514, 11.806183
- Jimmy (regional, Restaurant)Höhe: 2.217 m ü. d. M.GPS: 46.556475, 11.810539Jimmy (regional, Restaurant) 39033, Corvara in Badia - Corvara, Bolzano - Bozen, ITA +39 3334332262
- Lech de Ciampëi (See, Teich)Höhe: 2.176 m ü. d. M.GPS: 46.573813, 11.843777
- Lech de Crespëina (See, Teich)Höhe: 2.379 m ü. d. M.GPS: 46.568406, 11.825259
- Malga Cir (Ferienhaus)Höhe: 2.104 m ü. d. M.GPS: 46.552312, 11.812706Malga Cir (Ferienhaus) 39033, Corvara in Badia - Corvara, Bolzano - Bozen, ITA
- Parken2Höhe: 2.115 m ü. d. M.GPS: 46.549802, 11.806719Parken
- Parken3Höhe: 2.115 m ü. d. M.GPS: 46.549630, 11.809208Parken
- Rifugio Frara (Hotel)Höhe: 2.118 m ü. d. M.GPS: 46.549759, 11.808801Rifugio Frara (Hotel) Strada Frara 15 39033, Corvara in Badia - Corvara, Bolzano - Bozen, ITA +39 0471 795225
- Sassongher (2665)Höhe: 2.603 m ü. d. M.GPS: 46.567934, 11.864290
- Ütia Forcelles (Restaurant)Höhe: 2.088 m ü. d. M.GPS: 46.558535, 11.841245Ütia Forcelles (Restaurant) 39033, Corvara in Badia - Corvara, Bolzano - Bozen, ITA +39 333 93 93 995