Vor 14 Tagen haben wir den Bletterbach erkundet. Heute wollen wir das Wandererlebnis wiederholen. Dieses Mal von oben, vom Aldeiner Weißhorn aus. Wir haben uns vorgenommen den markanten Gipfel des Weißhorns auf dem Gamplweg zu umrunden, dabei den Bletterbach zu queren und natürlich auch einen Abstecher hinauf zum Gipfelkreuz zu unternehmen.
Am Jochgrimm herrscht Hochbetrieb. Parkplatz ist jetzt um 11.00 Uhr keiner zu finden. So müssen wir am Straßenrand, einen Kilometer vor dem Pass parken. Wir finden ein allerletztes Plätzchen an der Abzweigung zur Auer Leger Alm. Das ist nicht schlecht, denn so müssen wir nicht entlang der Straße zurück hinauf auf den Pass, sondern können den parallel verlaufenden alten Jochweg (Wanderweg Nr. 2) nutzen.
Der eine Kilometer ist schnell geschafft. Wie immer geht es über die Weidewiesen am Südhang des Weißhorns hinauf bis zu den Latschen. Wie nicht immer, biegen wir heute ausnahmsweise rechts ab und wandern gemütlich gegen den Uhrzeiger, auf dem landschaftlich reizvollen Höhenweg, um den Gipfel.
Ich bin begeistert! Die malerische Dolomiten-Kulisse mit Latemar und Rosengartengruppe beeindruckt. Obwohl ich schon zum x-ten Mal das Weißhorn von allen möglichen Seiten bestiegen habe, ist mir dieser, sich durch die Latschen schlängelnde Pfad, neu. Irgendwie verständlich, denn der Wanderer, der vom Jochgrimm, von Radain oder von Maria Weißenstein das Weißhorn bezwingen will, wird üblicherweise den kürzesten, gerade hinauf verlaufenden Steig wählen. In den Genuss des traumhaften Latschen-Höhenwegs kommt er aber nur, wenn er sich eine für den Gipfelsieg unnötige Umrundung oder zumindest eine Teilumrundung des beliebten Aussichtsberges antut. Genau das tun wir uns heute an. Wobei „antun“ ist das falsche Wort. Im Gegenteil, es ist ein Genuss diesen Latschen bewachsenen Wanderweg zu erwandern.
Wir lassen uns von der imposanten Bergwelt berieseln. Stimmt nicht ganz. Die schnellste Ehefrau von allen rennt voraus. Schlendern ist nicht ihr Ding. Anna hingegen bequatscht mich mit den Techniken wie ein Zauberwürfel zu lösen ist. Sie kennt die Strategien auswendig und kann sie – zu meinem Missfallen – stundenlang runterleiern. Still sein ist nicht ihr Ding. Ich wiederum lasse den Fotoapparat ständig klicken. Wandern ohne knipsen ist nicht mein Ding.
So wandern wir alle drei mit ganz Unterschiedlichem beschäftigt um die Ostflanke des Weißhorns und erreichen bald die Kante zu Bletterbachschlucht.
Der Blick hinunter lässt uns an vor 14 Tagen denken, als wir unten den Bletterbach entlang bis zum Talschluss gewandert sind.
Wir könnten jetzt über den 5er Steig direkt zum Gipfel aufsteigen. Dabei muss man im Unterschied zum Normalweg, der über die Südseite hinaufführt, ein klitzeklein wenig klettern. Als Klettersteig kann man den Pfad nicht bezeichnen, aber Wandersteig ist definitiv untertrieben. Am besten sage ich Bergsteig mit Drahtseilpassage dazu. Es gibt zwei versicherte und ein, zwei unversicherte Stellen, an denen man trittsicher und frei von Höhenangst sein sollte.
Diesen Aufstieg will ich der ängstlichsten Ehefrau von allen ersparen. Wir werden darum den Bletterbach queren, um den Gipfel von der weniger schwierigen Nordwestseite erklimmen zu können.
Bletterbach
Der Gamplsteig führt uns direkt in das geröllige Kar des Bletterbachs hinunter. Schnell fällt das Gelände zu unserer rechten steil ab. Der Steig weist keinen Felsuntergrund auf. Er ist erdig und mit Kiesel versetzt. Zusammen mit dem ordentlich abfallenden Gelände macht ihn das etwas unfein.
Ich, wie immer mit den Bergschuhen, die beiden Mädels mit Trekkingschuhen ist die Querung halbwegs machbar, bis wir an eine sehr steile Stelle kommen, an der der Steig 3 Meter kerzengerade nach unten führt und im weiteren Verlauf nicht mehr zu sehen ist.
Ich kontrolliere meine Karte. Nein, da sind keine Schwierigkeiten eingezeichnet. Komisch. Ich schaue ins Bachbett hinunter. Mir ist schleierhaft, wie der Steig das steile unwegsame Bachbett queren sollte. Hmm… das da unten könnte eine Seilversicherung sein und das da oben, auf der anderen Hangseite, die zickzackförmige Spur der Ausstieg. Doch die Spur bricht urplötzlich an einen erdigen Abgrund ab. Ich würde meinen, dass eines der letzten Unwetter den Steig weggerissen hat. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, warum in dem Fall an der passierten Weggabelung kein entsprechender Hinweis angebracht wurde.
„Wartet hier, ich steige die 3 Meter ab und schaue mir den weiteren Wegverlauf an“, weise ich meine beiden Mädels an.
Gesagt getan? Mitnichten! Ich schaffe nur einen einzigen Schritt, schon meldet sich die innere Stimme der Amygdaka mit schriller Stimme zu Wort.
„Hallo geht‘s noch! Extrem steil, erdiger Untergrund mit Kieselsteineinlagerungen, die wie Kugellager wirken, keine Möglichkeit sich mit Händen irgendwo festzuhalten und da unten der sichere tot! Bist du komplett bescheuert?“, fragt sie.
Bescheuert will ich nicht sein.
„Nein, ich schaue mir das trotzdem nicht an. Wir kehren um!“, entgegne ich den beiden Mädels.
Freudiges Kopfnicken. So schreiten wir zurück zur Abzweigung mit dem 5er Steig. Ups, an der Hinterseite des Wegweisers, der die Bletterbach Querung anzeigt, steht: nur für Experten.
Ich bin zwar der Meinung, dass der Steig komplett weggebrochen sein muss, aber das kann täuschen, schlussendlich habe ich mir den weiteren Verlauf nicht ansehen können.
Aufstieg zum Weißhorn Gipfelkreuz
So nun also doch über die Nordkante auf den Gipfel hinauf kraxeln.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, da sind wir beide schon mal runter. Und rauf ist ja einfacher“, versuche ich die ängstlichste Ehefrau von allen zu beruhigen.
„Wart schon gean, schau du lei af die Anna“, kommt die Antwort von einem blassen Gesucht.
Das erste Drahtseil veranlasst zwei Aufschreie. Ein freudiger von Anna und ein beunruhigter der ängstlichsten Ehefrau von allen
Ich sehe objektiv keine großen Schwierigkeiten. Ok ein klein wenig ausgesetzt, doch da ist ein Drahtseil. Das unten in der Bletterbachschlucht das war eine ganz andere Nummer!
Nach der versicherten Passage geht es auf einem luftigen, nach rechts stark, nach links nur mäßig abfallendem Grat zum felsigen Gipfelaufbau des Weißhorns hinüber.
Nun dürfen wir ein klein wenig klettern. Sehr einfach, en Steig kann man nicht als Klettersteig bezeichnen. Doch das Stück erweist sich für mich trotzdem als herausfordernd. Warum? Einerseits rennt mir vorne Anna fast davon, sodass ich Mühe habe ihr hinterherzukommen, andererseits muss ich hinten der ängstlichsten Ehefrau geistig beistehen. Dieser Spagat gelingt nicht so wirklich. Mir wird ein wenig übel bei der Entscheidung entweder der Kleinen nachrennen und die Große ihrem Schicksal überlassen oder umgekehrt.
Klar steht die Tochter an erster Stelle, doch rational gesehen wäre es besser der besten Ehefrau von allen beizustehen, da das Töchterchen offensichtlich Null Probleme hat, sogar Freude an der Krxelei hat. Was tun?
Da besinne ich mich auf die Allzwecklösung. Es ist jene Lösung, die jeder Südtiroler perfekt beherrscht. Sie wird ihm sozusagen in die Wiege gelegt!
„Ma dio… oschpalamuggn… Anna, jetzt wort gefälligscht sunsch oschtia… „
Ja genau! Fluchen. Hilft immer, aber nur im echten Südtiroler Kauderwelsch. Man nehme als Basis 2/3 italienische Fluchwörter, mische dazu 1/3 tiroler Schimpfworte und schon hat man die perfekte Universallösung für alle Probleme.
Hilft natürlich auch heute. Anna bleibt brav stehen und wartet bis ich die Mami nachlotse.
So schaffen wir es dann doch gemeinsam und unversehrt am Gipfel unseres Hausberges Nr. 2 anzukommen.
Auf dem Weißhorn
Wer das Weißhorn nicht kennt, der würde nun verwundert sein. Wanderer en masse. Doch wer wie wir öfters da war, der weiß, vom Süden über den Normalweg gibt es inzwischen überhaupt keine Schwierigkeiten mehr. Sogar das letzte Stück, bei dem man sich früher gerne am Drahtseil festgehalten hat, ist nun mit breiten Stufen versetzt, sodass der Gipfel sogar freihändig und trotzdem sicher erklommen werden kann.
So wundert es nicht, dass zahlreiche Bergliebhaber den Weg heraufgefunden haben.
Bei einer gemütlichen Marende lassen wir den Blick nach Hause, nach Tramin, hinunter auf Radein und die Gurndinalm und über die wunderbare 360 Grad Bergwelt von der Brentagruppe, über die Ortlergruppe, die Ötztaler Alpen, die Zillertaler Alpen und die Dolomiten mit Schlern, Rosengarten und Latemar, als auch den Zwillingsberg Schwarzhorn schweifen.
So vergeht die Zeit. Der Gipfel entvölkert sich langsam. Anna ergattert das Gipfelbuch. Ein so großes und schweres Gipfelbuch haben wir noch nie auf einem Gipfel gesehen. Zum Schluss gelingt sogar das obligatorische Gipfelfoto ohne Dekoration mit Fremden. Perfekt!
Hinab steigen wir über den 12er Steig. Er führt uns wieder an die Bletterbachkante, dieses Mal an die Westkante. Die ist einfacher zu erwandern als die Nordkante.
An der Kreuzung mit dem Gamplsteig, den wir zur Querung der Bletterbachschlucht nutzen wollten, treffen wir auf zwei italienische Wanderer, die vom Gamplsteig heraustreten. Ich frage sie, ob sie die Querung gemacht haben.
Sie lachen und sagen: „No, quel sentiero non è niente per noi. Siamo stati solo a due passi per vedere meglio il canyon. Siamo in giro con una guida, che ci ha spiegato che quel sentiere è impegnativo e che spesso viene strappato via, da temporali.“
Übersetzung: Nein, dieser Weg ist für uns nichts. Wir waren nur einen Steinwurf entfernt, um einen besseren Blick auf die Schlucht zu bekommen. Wir sind mit einem Führer unterwegs, der uns erklärte, dass dieser Weg anspruchsvoll ist und oft von Stürmen zerrissen wird.
Wir marschieren auf dem schönen, von Latschen umgebenden Zirmersteig weiter abwärts und erreichen einen Aussichtspunkt auf den Südtiroler Grand Canyon. Hier biegen wir links in den Panoramaweg ein. Er leitet uns südwärts durch lichten Wald kurz bis vor die Gurndin Alm.
Abermals biegen wir links ab und folgen dem breiten Schotterweg Dolomiten Höhenweg Nr. 8 zurück zum Jochgrimm.
Der Käsestand, den wir schon beim Aufstieg gesehen haben, ist noch da. Anna liebt Käse, vor allem Parmesan, den sie gerne ungerieben, in großen Stücken knabbert. Sie bettelt. Wir geben nach. Der Parmesan erweist sich als vorzüglich und das obwohl leicht günstiger als im Laden.
Über den alten Jochweg geht es zurück zum Auto und schon ist die relativ kurze, aussichtsreiche und abwechslungsreiche Bergtour mit Gipfelerlebnis abgeschlossen.
Wanderkarte mit GPS-Track zum Download Rundwanderung Weißhorn
Akt. Position: -km, -m
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Eckdaten der Tour
Über den Gamplweg auf das Weißhorn
- Dauer: 3:20 h
- Distanz: 9,4 km
- Bergauf: 526 m
- Bergab: 523 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- BletterbachHöhe: 2.062 m ü. d. M.GPS: 46.355917, 11.439806
- Panorama BletterbachHöhe: 2.015 m ü. d. M.GPS: 46.354837, 11.434193
- ParkenHöhe: 1.997 m ü. d. M.GPS: 46.347177, 11.452603
- Weißhorn - Corno Bianco (2316)Höhe: 2.290 m ü. d. M.GPS: 46.354387, 11.443741
Fotos Weißhorn mit Dolomitenblick