Juni, ein Werktag und der Namenstag von Anna. Darum durfte sie für heute ein Ausflugsziel aussuchen. Sie hat sich für den Archeoparc in Schnals entschieden. Es interessiert sie wie der Ötzi gelebt hatte. Neben einem kleinen archäologischen Museum bietet der Park einen Freilichtbereich, in dem man nicht nur zuschauen, sondern auch aktiv teilnehmen kann.
10 Uhr, Einlass. Wir schauen uns zuerst den Innenbereich an und lernen, dass der Mann aus dem Eis wahrscheinlich im Vinschgau lebte. Er trug 20 Holzarten bei sich, die er bewusst ausgewählt hatte. Er war ein Experte in Material- und Ortskenntnis. Außerdem hatte er einen Kleber aus Birkenteer bei sich, mit dem er mit dem gleichen Prinzip heutiger Heißkleber Holz und Stein aneinander kleben konnte. Feuersteine fehlten auch nicht in Ötzis Ausstattung. Dieselben musste er vom nördlichen Gardasee geholt haben, da sie in Südtirol nicht vorkommen.
11 Uhr. In einer dem Neolithikum entsprechenden nachgebauten Hütte wird uns demonstriert, wie Ötzi Feuer gemacht hat. Der Feuermacher hat einen Pyrit-Stein, einen getrockneten und in Scheiben geschnittenen Zunderschwamms (Fomes fomentarius) und Heu als Zunder vor sich.
Trotz verbreiteter Annahmen ist es nicht möglich nur mit Feuersteinen Feuer zu machen. Schlägt man zwei Feuersteine aneinander entstehen zwar Funken, jedoch erreichen diese nicht die erforderliche Temperatur, um ein Feuer zu entfachen. Stattdessen kann man Funken aus Pyrit, Markasit oder Stahl herauszuschlagen, indem man mit einem harten Stein draufschlägt. Stahl hatte Ötzi natürlich nicht aber einen Pyrit-Stein schon.
Mit dem Pyrit-Stein schlägt der Feuermacher auf einen anderen beliebigen Stein. Dadurch lösen sich Pyrit-Splitter, die sich in der Luft selbst entzünden. Die heißen Funken lässt der Feuermacher auf die dünnen, getrockneten Scheiben des Zunderschwamms fallen. In der Folge beginnen dieselben zu glimmen. Der Feuermacher wickelt nun den glimmenden Zunderschwamm in Heu ein, führt Luft hinzu und schon beginnt das Heu zu brennen.
Wieder was gelernt! Der Steintyp „Feuerstein“ war für Ötzi kein Feuerzeug sondern ein Werkzeug. Er hatte ihn als Messer, als Bohrer oder als Schaber verwendet. Zum Feuer machen hatte er einen anderen Steintyp, einen Pyrit-Stein. Das war sein Feuer-mach-Stein. „Pyr“ bedeutet in Altgriechisch Feuer. Somit ist ein Pyrit-Stein auch ein Feuerstein.
Nach der Feuer-Entfachungsdemonstration gehen wir in die Steinzeit- Werkstatt. Wir backen echtes Ötzi-Stockbrot. Für den Teig werden nur Rohstoffe verwendet, die Ötzi kannte, z.B. kein Salz.
Anschließend dürfen wir mit einem Feuerstein-Werkzeug arbeiten. Mit einem scharfkantigen Exemplar bohren wir Löcher in Holzstücke und Muscheln, flechten dann aus Lindenbast eine Schnur und basteln aus dem Ganzen eine Steinzeithalskette. Cool!
Nun dürfen wir zum Bogen schießen. Die Federn an unseren Pfeilen sind nicht Ötzi gerecht. Der Mann aus dem Eis nutzte natürlich echte Federn, unsere sind aus Plastik. Auch die Bogensehnen sind nicht authentisch, aber alles in allem verhalten sich Bogen und Pfeile ähnlich wie Ötzis Jagdwaffe. Je nach Größe und Kraft bekommen wir einen Bogen mit passender Länge ausgehändigt und dürfen auf Plastiktiere und Zielscheiben schießen. Ich habe schon einmal mit einem Sportbogen geschossen. Doch das Schießen mit dem Ötzi-Bogen ist schwieriger und hat eine starke Glückskomponente. Der Pfeil fliegt nicht gerade, wie mit modernen Sportbögen geschossen. Die meisten Schützen treffen nichts, ich treffe einmal eine Zielscheibe.
Zuletzt steht noch eine Kanufahrt mit dem Einbaum auf dem Programm. Das überlassen wir Anna alleine. Das überlassen wir Anna alleine. Sie darf zusammen mit anderen Kindern eine Rundfahrt durch die „neolithische Landschaft“ mit zahlreichen nachgebauten Hütten absolvieren.
Nun verlassen wir den Schnalser Archeopark und fahren hinauf zum Stausee Vernagt.