Heute mal was anderes. Keine Bergtour, keine Wanderung, nicht Wald und Fels, sondern Wasser – ein Segeltörn auf dem Gardasee! Der Hans hat mich zur Probefahrt mit seiner neuen Zwei-Mast-Yacht „Siora“ eingeladen. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen!
Obwohl Ferragosto-Samstag ist die Anfahrt vom Süden Südtirols bis nach Riva del Garda halbwegs flüssig verlaufen. Einen Parkplatz habe ich in der Via Fabio Flizi auch schnell gefunden. In Riva gibt es viele (kostenpflichte) Parkplätze, man muss sie nur finden.
Nun schlendere ich zur Wasserburg Rocca di Riva eigentlich zum Canale della Rocca, der die Burg umgibt. Hier ankert die Segelyacht. Sie ist mit ihren 18 Meter Länge und den beiden, alle anderen Mästen, überragenden, Mästen nicht zu übersehen.
Natürlich habe ich meine Fotoausrüstung mit dabei. Die Yacht will natürlich fotografiert werden. Klar eine „neue Signora“ – Siora bedeutet in Venetischer Sprache „Dame“ bzw. „Signora“ – will gesehen werden! Und weil ich zuerst einige Totalen der Siora schießen möchte, am besten mit Segel, die Siora dafür zuerst ziemlich hinaus tuckern muss, steige ich erstmals in ein Motorboot ein. Es soll die Siora verfolgen. Auch ein besonderes Erlebnis, den der nördliche Teil des Gardasees, jener der auf Trentiner Gebiet liegt, darf nur mit Windkraft geschifft werden, außer man hat eine entsprechende Lizenz, wie z.B. die Fähren, das von mir genutzte Taxi-Motorboot und auch die neue Segelyacht Siora, mit der der Hans Renner demnächst Touristensegeltörns anbieten wird.
Die Siora läuft aus. Wir nehmen die Verfolgung auf, holen das Segelboot bald ein. Die Yacht hat zusätzlich zu den Standardsegeln ein nigelnagelneues symmetrisches Twin Furling Downwind Segel „Blue Water Runner von Elvstrom“, kurz gesagt ein Rückenwindsegel, mit dabei. Genau das soll heute ausprobiert werden. So ein Segel ist eine Premiere für den Gardasee! Der Nordwind – jetzt in der Früh herrscht hier am Gardasee zuerst mal der Wind des Nordens, gegen Mittag wird er das Zepter dem südlichen Kollegen abgeben – bläst das Segel ordentlich auf. Wow, das schaut gut aus. Erst das Segel macht ein Segelboot komplett.
Ich weise meinen Taxibootfahrer an die Yacht zu umkreisen, mehrmals. Einmal ruhig langsam, ein anderes Mal mit Vollgas, sodass es ordentlich spritzt und ich Wasserspritzer Fotos schießen kann. Toll!
Die Siora oder das Segel oder beides scheinen Aufmerksamkeit auf dem Gardasee zu erregen. Ein Boot der Lifeguard nähert sich ihr. Die Besatzung spricht mit Hans.
Ich habe derweil alles im Kasten was ich wollte. Ich muss nun vom Motorboot auf die Yacht umsteigen. Das ist nicht so einfach als man glauben würde. Die Boote näheren sich an, dürfen sich dabei nicht berühren. Hans hängt einen gepolsterten Puffer an die Seite des Segelbootes. Für beide Boote ist es nicht einfach so nahe aneinander zu kommen, dass sie sich nicht berühren und gleichzeitig, dass ich es schaffe, rüberzuspringen. Außerdem schaukelt das kleine Motorboot, auf dem ich stehe, recht ordentlich. Einfach springen und mitsamt 12 kg Fotorucksack in Wasser stürzen? Hmm…
Nach ein zwei geistigen Versuchen erwische ich die Hand vom Hans, ein Ruck, ein Sprung – geschafft! Ich bin an Board. Ich bin überrascht, wie stark die Hand vom Hans ist. Er hat zwar ein gewisses Alter, aber da ist noch ordentlich Dampf dahinter. Scheinbar ist ein Körper, der ein ganzes Leben lang Extremsport ausgesetzt war – der Hans war ein wilder Drachenflieger – auch noch im Alter voller Kraft und Elan. Der Hans stellt das bald ein zweites Mal unter Beweis. Er kraxelt auf den Hauptmast umher wie ein Jungspund!
Ich bleibe lieber am Boden, besser gesagt auf dem Deck, innerhalb der Reling. Die Siora verfügt zwar über große Unterdeck-Räume mit Kapitänskajüte, zwei Mannschaftskajüten, drei Seetoiletten, einer Dusche, einer großen Kombüse und einer noch größeren Messe und an Deck, im Center Cockpit, bequeme und sichere Sessel, doch ich turne lieber ständig vom Heck zum Bug und umgekehrt. Vor allem die Bugspitze hat es mir angetan. Ich finde dort ist das Segeln am coolsten. Bei meiner „Rumturnerei“ gilt es aufzupassen über kein Seil zu stolpern und vor allem nicht über die Reling zu fallen! Der Hans sagt: „Immer eine Hand am boot!“
So eine Segelfahrt auf dem Gardasee ist was Wunderbares. Die frische Brise verhindert trotz Gardasee-Temperaturen Schweiß, keine Anstrengung wie beim Wandern, es gibt viel zum Staunen: auf dem Gardasee tummeln sich unzählige Surfer, Kiter, Segler, die malerischen Gardaseedörfchen wie z.B. Limone oder Malcesine kann man vom See aus bewundern und wenn man den Kopf hochhebt, dann sieht man nicht nur langweiligen blauen Himmel, sondern imposante Gardaseeberge. Traumhaft!
Der Nordwind soll in Kürze abflauen. Das behauptet zumindest die Windprognose. Noch ist es nicht soweit. Wir sind ungefähr auf der Höhe von Limone, müssen zwecks Zeitplanung leider umkehren, zurück nach Riva del Garda segeln.
Genau gegen den Wind segeln geht natürlich nicht. Aber aufgrund der Konstruktion eines Segelbootes mit Kiel und Schwert könnte man zumindest schräg gegen den Wind segeln und somit im Zickzackkurs sein Ziel gegen den Wind erreichen.
Wir machen eine Kehrtwende, setzen dann aber auf Motorkraft und ziehen darum die nun stark flackernden Segel ein. „Wir“ ist natürlich falsch! Ich bin nur Zuschauer während Hans, Anna und Ernst die Segel einholen.
Nun tuckern wir den Gardasee aufwärts. Kaum die unsichtbare Provinzgrenze ins Trentino passiert werden wir von der Guardia di Finanza angehalten. Ob wir schon wissen, dass hier schippern mit Motorkraft nicht erlaubt sei? Klar, die Siora ist neu hier am Gardasee, man kennt die Dame (noch) nicht. Man weiß noch nicht, dass sie über alle entsprechenden Papiere verfügt. Die freundlichen Finanzbeamten kommen nicht an Board, sie lassen sich die Papiere in einem Kescher übergeben, kontrollieren und lassen uns dann weiterfahren. Zwanzig Minuten drauf hält uns die Polizia auf. Dieses Mal kennen die Ordnungskräfte den Hans. Sie wissen das ist der Typ der früher mit dem stählernen Zweimaster „Siora Veronica“ und anschließend mit dem Holz-Zweimaster „Siora Bianca“ Touristen-Segeltouren angeboten hatte. Dass der Hans nun einen dritten Zweimaster, eine moderne Yacht aus Fiberglas auf den Gardasee gebracht hat, ist ihnen neu. Nach einer kurzen Unterredung dürfen wir weiter und schippern nun mit Rückenwind – inzwischen hat sich der versprochene und mir sehr bekannte Gardasee-Südwind eingestellt (er bläst bis in den Süden Südtirols hinauf) – bis nach Riva del Garda zum Canale della Rocca zurück.
Ein unvergessliches Gardasee-Erlebnis liegt damit hinter mit. Es wird sich unauslöschlich in mein Gedächtnis einprägen. Klar, wie oft darf ein Bergmensch über den Gardasee segeln und noch dazu mit einem Zweimaster? So ein Segeltörn bleibt in Erinnerung! Es ist eine Erfahrung für Leben.
Wer so eine Segeltour auch erleben, den Hans und seine Frau Anna kennenlernen, den Gardasee vom Wasser aus entdecken möchte, der kann sich auf der Website der Siora umsehen und dort einen Segelausflug buchen: